Bingen Wochenblatt
Die Zukunft ist natürlich
Im Lennebergwald ist der Klimawandel deutlich sichtbar
von Alexander Weiß
Bis Stefan Dorschel in den Ruhestand geht, dauert es noch etwa zehn Jahre. Bis dahin, so die Hoffnung des Revierförsters, hat sich der Lennebergwald wieder ein Stück weit erholt – von den Folgen der Geschichte und den Widrigkeiten, die durch fehlendes Umweltbewusstsein verursacht wurden.
Trockenheit und die permanente Sorge um die weiteren Auswirkungen des Klimawandels haben dem größten zusammenhängende Waldgebiet in Rheinhessen über die Jahre zugesetzt. Zuletzt waren es auch Stürme, die viele Bäume niedergerissen haben. „Es sieht gerade ein bisschen so aus, als hätte jemand Mikado gespielt“, sagt Stefan Dorschel in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Vieles, was jahrelang gepflanzt, gepflegt und geschützt wurde, ist im Laufe der Zeit der Naturgewalt zum Opfer gefallen. Doch Dorschel hat in den 31 Jahren seines Berufs gelernt, geduldig zu sein und mit dem Ist-Zustand zu arbeiten.
Für die Entwicklung des Lennebergwalds ist diese Herangehensweise von enormer Bedeutung. Hat dieser doch ohnehin schon viele schwere Jahre hinter sich. Von „Kahlschäden“ spricht Revierförster Dorschel, mit denen es nach dem Krieg umzugehen galt. Mischwald statt MonokulturHolz wurde dringend gebraucht, was sich negativ auf die Vielfalt der Gewächse im Forst auswirkte. So wurden vornehmlich wieder Kiefern für industrielle Zwecke gepflanzt: „Mit dieser Altlast müssen wir heute umgehen“, so Dorschel, dessen Ziel es ist, von einer Monokultur wieder zu einem Mischwald zu kommen. Dafür setzen er und der „Zweckverband zur Erhaltung des Lennebergwaldes“ sich ein. Das Bündnis gründete sich, nachdem die Zukunft des Waldes nach dem Krieg ungewiss schien. Eigentümer des Gebiets war ursprünglich Martin Wilhelm von Waldthausen, ein preußischer Leutnant, der auch die Schlossvilla Waldthausen zwischen Mainz und Budenheim bauen ließ. Anfang der fünfziger Jahre hatte die Familie Pläne, das Gebiet künftig zu bebauen, woraufhin sich der Zweckverband gründete und gemeinsam mit der Stadt Mainz das Areal für einen Betrag von 500 000 Euro kaufte. Seither erarbeitet die Initiative Konzepte, damit das 700 Hektar große Gebiet noch eine lange Zukunft hat. Dabei gilt der Grundsatz, dem Wald Ruhe zu gönnen und ihn sich selbst zu überlassen. „An bestimmten Stellen wird punktuell nachbepflanzt“, erklärt Dorschel. Eiche, Linde, Esskastanie oder Kirsche etwa.
Geplantes Durcheinander
Andere Bereiche wurden teilweise für den Naturschutz gepflügt. Und an weiteren Flächen wird wiederum so wenig wie möglich Hand angelegt. „Das Durcheinander ist für viele Besucher vielleicht erstmal ein ungewöhnlicher Anblick, weil viele häufig das Bild eines aufgeräumten Waldes mit vielen schönen großen Bäumen in den Köpfen haben“, so der Revierförster. Doch das Vorgehen soll für Erholung der Natur sorgen. Dass gerade der Sturm gewütet hat, bietet auch Vorteile: So haben derzeit Rehe keine Möglichkeit nachwachsende Baumknospen abzubeißen.
Die Entwicklung des Lennebergwaldes im Blick zu behalten, ist verbunden mit der Herausforderung, die Interessen von Natur, Mensch und Tier in Einklang zu bringen. „Gerade jetzt strömen viele natürlich raus in die Natur“, sagt Dorschel. Spaziergänger, Jogger und Mountainbiker suchen verstärkt auch nach abgelegenen Pfaden, was dem Wald zusetzt. Über einen Unfall berichtet der Förster, der sich erst kürzlich zugetragen hat: Ein Mountainbiker verunglückte auf einer Strecke, die er selbst für sein Rad gebuddelt hatte. „Es wird gegraben und aufgeschüttet, so schnell kommen wir manchmal gar nicht hinterher.
Anlaufstelle für Informationen rund um den Lennebergwald: das „Grüne Haus“.
Foto: Alexander Weiß
Der Sturm zeigt Spuren: Von „Mikado“ spricht Revierförster Stefan Dorschel.
Foto: Alexander Weiß
Da existiert eine hohe Motivation unter den Mountainbikern“, so Dorschel. Bestrebungen, Bahnen außerhalb des Waldes auf legalem Wege umzusetzen, scheiterten bislang. Den Mut gibt Stefan Dorschel dennoch nicht auf, dafür ist er schon zu lange dabei. Blickt er in die Zukunft seines Waldes, sieht er ein Areal, auf dem möglicherweise wieder mehr Eiche wächst, „nicht mehr die großen, dicken Bäume“, so der Förster. Wohl alles etwas „niedriger und buschartiger“. Auf jeden Fall: sehr natürlich.
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