VRM Wochenblätter

28.09.21 | Zukunft

Von Hessen aus den Weltraum überwachen

Das Europäische Raumflugkontrollzentrum steuert von Darmstadt aus sämtliche Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation ESA

von Redaktion

 

Das ESOC (European Space Operations Centre) in Darmstadt ist das Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA und „Europas Tor zum Weltraum“. Seit 1967 ist es für den Betrieb sämtlicher ESA-Satelliten und für das dazu notwendige weltweite Netzwerk der ESA-Bodenstationen verantwortlich.

Das ESOC hat bislang 83 ESA-Satelliten operationell betreut, außerdem hat es 57 Missionen anderer nationaler und internationaler Organisationen unterstützt. Derzeit betreibt das Zentrum 25 Satelliten parallel im Routinebetrieb, darunter sind etwa interplanetare Missionen wie BepiColombo, Solar Orbiter und ExoMars sowie die Sentinel-Satelliten des Erd- und Umweltbeobachtungsprogramms Copernicus. Das ESOC ist außerdem Sitz des ESA-Weltraumsicherheitsprogramms, das sich mit der Entdeckung, Vorhersage und Beobachtung möglicher Risiken durch Objekte oder Naturphänomene im Weltraum beschäftigt, die für das Leben auf der Erde oder die Infrastruktur im All gefährlich werden könnten.

Im Hauptkontrollraum des Europäischen Raumflugkontrollzentrums in Darmstadt. Foto: ESA

Der von Darmstadt aus gesteuerte Satellit Copernicus Sentinel-6 „Michael Freilich“ wird mit einer SpaceX Falcon 9-Rakete von den USA aus in den Orbit geschossen.
Foto: SpaceX

Aufgrund seiner hoch entwickelten Technik und seiner Spezialisten-Teams ist das ESA-Satellitenkontrollzentrum in der Lage, gleichzeitig über 20 Satelliten in Routine sowie weitere Satelliten in der frühen Startphase (LEOP) zu kontrollieren und weltweit renommierte Rettungsaktionen durchzuführen.

Weltweites Netz

Im Satellitenkontrollzentrum der ESA befindet sich auch die Steuerungszentrale des Bodenstations-Netzwerkes ESTRACK. Im Kern besteht das Netzwerk aus sieben Stationen, von denen fünf für die kontinuierliche Kommunikation mit Satelliten oder Trägerraketen in Erdnähe eingesetzt werden und über Antennen mit Durchmessern von 4,5 bis 15Metern verfügen. Sie befinden sich in Kourou (Französisch-Guayana), Redu (Belgien), Santa Maria (Portugal), New Norcia (Australien) und Kiruna (Schweden). Darüber hinaus befinden sich drei große Deep-Space-Antennen mit einem Durchmesser von 35 Metern in Cebreros (Spanien), Malargüe (Argentinien) und New Norcia (Australien). Diese gewährleisten eine kontinuierliche Kommunikation mit erdfernen Satelliten, wie etwa bei interplanetarischen Missionen.

Zusätzlich nutzt die ESA in Zusammenarbeit mit anderen Weltraumorganisationen und Industriepartnern weitere Bodenstationen.

Kontrollzentrum übernimmt

Unmittelbar nach der Trennung des Satelliten von der Trägerrakete wird dessen Steuerung vom ESOC-Hauptkontrollraum übernommen. Hier werden alle Manöver durchgeführt, die den Satelliten in seine endgültige Umlaufbahn bringen. Das Kontrollzentrum steht in ständigem Kontakt mit dem gesamten Bodenstationsnetz der ESA. Sobald der Satellit seine Flugbahn erreicht hat, wird die Kontrolle von einem speziellen Routinekontrollraum übernommen. Die Spezialisten für Flugdynamik sind für die Bestimmung, Vorhersage und Korrektur der Flugbahn eines Satelliten sowie dessen Ausrichtung und Orientierung im Weltraum verantwortlich. Dank ihrer einzigartigen Erfahrung und die Entwicklung spezieller Flugdynamiksysteme zur Betriebsüberwachung von ESA-Missionen wie auch von Missionen anderer Weltraumorganisationen, unterstützen die Flugdynamik-Experten jegliche Art von Missionen: Erdbeobachtung, Astronomie, Planetenwissenschaft oder Navigation.

Analyse für die Zukunft

Die Missionsanalyse ist ein Aufgabenbereich der Flugdynamik. Sie umfasst die Auswahl der optimalen Umlaufbahn, die Wahl der Trägerrakete, die Nutzung der Bodenstationen, die Planung komplexer Manöver und die Dauer einer Mission. All diese Aspekte werden vom Satellitenkontrollzentrum in der frühen Planungsphase einer Mission in Betracht gezogen. Sie liefern dem mit dem Bau eines Satelliten beauftragten Industriekonsortium wichtige Informationen, die mit in das Satellitendesign einfließen.

Technologie-Transfer

Im Rahmen der besonderen Anforderungen der ESA-Missionen entwickelt das Kontrollzentrum spezielle Simulations- und Steuerungssoftware für den Raumfahrtbetrieb. Zudem hat sich im Umfeld des ESOC ein Informations- und Gründerzentrum für Satellitennavigation etabliert – das „cesah“, „Centrum für Satellitenanwendungen Hessen“. Neben dem Land Hessen, der Stadt Darmstadt, der Technischen Universität und der Hochschule Darmstadt wird cesah auch von großen Unternehmen der Region getragen. Als Partner der ESA Business Incubation Initiative unterstützt cesah junge Unternehmen und Neugründungen bei der Entwicklung, Realisierung und Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen mit Bezug zur Satellitennavigation.

Der Satellit Sentinel-6 ist im Orbit angekommen – die Verkleidung löst sich. Gleich übernimmt das ESOC die Steuerung des Satelliten. Illustration: ESA/P. Carril

Die Spezialisten im Hauptkontrollraum haben alles im Blick.
Foto: ESA/Jürgen Mai

DIE EUROPÄISCHE
RAUMFAHRTAGENTUR

Die Europäische Weltraumorganisation ESA ist eine zwischenstaatliche Organisation, die 1975 mit dem Auftrag gegründet wurde, die Entwicklung der europäischen Raumfahrtkapazitäten zu gestalten und sicherzustellen, dass Investitionen in die Raumfahrt den Bürgern Europas und weltweit zugutekommen.

Die ESA deckt ein breites Spektrum an Aktivitäten ab, darunter Trägerraketen, Wissenschaft, robotische und astronautische Exploration, Navigation, Erdbeobachtung, Telekommunikation, Weltraumsicherheit und Raumfahrtbetrieb. Sie entwirft, baut und betreibt Anlagen und eine Flotte von Weltraummissionen in der Erdumlaufbahn und im Sonnensystem und ermöglicht europäischen Astronauten den Flug mit internationalen Partnern.

Die ESA hat 22 Mitgliedsstaaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Lettland, Litauen und Slowenien sind assoziierte Mitglieder. Kanada nimmt im Rahmen eines Kooperationsabkommens an bestimmten Programmen teil. Die ESA hat Europäische Kooperationsstaaten-Abkommen mit Bulgarien, Zypern und der Slowakei sowie Kooperationsabkommen mit Kroatien und Malta unterzeichnet.

Durch die Koordinierung der finanziellen und intellektuellen Ressourcen ihrer Mitglieder kann die ESA Programme und Aktivitäten durchführen, die weit über die Möglichkeiten eines einzelnen europäischen Landes hinausgehen. Dabei arbeitet sie eng mit der europäischen Industrie, den nationalen Raumfahrtagenturen und der Europäischen Union zusammen und kooperiert mit Raumfahrtorganisationen weltweit.

Weitere Informationen unter:

www.esa.int

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