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Nov 26, 2021 | Spielen

Spielen, spielen, Theater spielen

60 Jahre Taunusbühne Bad Schwalbach

Von Elmar Ferger

Spielen? Einfach mal so, spielen, Zeit verschwenden? Zeit, in der man ernsthaft und produktiv wirken könnte? Spielen – ist das nichts nur für Kinder und reine Freizeit überhaupt? Ein Klischee, das nicht nur Wissenschaftler längst ad absurdum geführt haben. Spielen kann durchaus auch ernsthaft sein, es kann ernsthafte Hintergründe haben, die im Spiel jedoch einfacher dargestellt und erkannt werden können. Spiel kann aber auch einfach ein fröhliches Miteinander sein. Spielt nicht jeder Mensch im Laufe seines Lebens eine oder mehrere Rollen? Meist unterscheidet sich die berufliche Rolle stark von der ganz privaten. Doch beide müssen auf die eine oder andere Weise erlernt werden. Rollenspiele beginnen schon früh in der Kindheit, zu Hause, in der Kita, auch in der Schule – zwischen Gleichaltrigen und auch mit Erwachsenen. So lernen junge Menschen spielerisch, also ohne negative Folgen, ihre Umwelt, ihre großen und kleinen, alten und jungen Mitmenschen und deren Reaktionen einzuschätzen. Auch Theaterspiel ist ein Rollenspiel, manchmal mit ernstem und moralisch nachdenklich stimmendem Hintergrund, oft aber auch als Komödie.

Helles Köpfchen, rotes Käppchen: Die Taunusbühne nimmt sich gerne auch mal Klassikern aus dem Bereich Märchen an und interpretiert sie auf ihre Weise. Foto: Taunusbühne

Ob jemand als Hirte im Krippenspiel der heimischen Kirche mitmacht oder als Goethes Faust auf „großer Bühne“ agiert – beides sind Rollenspiele, die zwar ernsthaft, aber doch spielerisch eingeübt werden müssen. So kann Theaterspiel das reale Leben auf ganz eigene Art abbilden. Es kann Historisches nachspielen, bekannte Stücke interpretieren und Neues erfinden. Theaterspielen bietet eine der besten Möglichkeiten, die eigene Kreativität zu trainieren und im Spiel zu verwirklichen. Das können Hobbyschauspieler ebenso gut wie Profis – die Größe einer Bühne ist nicht entscheidend. Wie gut das funktioniert, beweist das Ensemble der Taunusbühne Bad Schwalbach.

Am 1. Juni 1961 gründeten Bad Schwalbacher Konfirmanden unter Leitung von Karl-Heinz Degenhardt einen „Sing- und Spielkreis“. Laienspiele sollten bei passenden Gelegenheiten einstudiert und aufgeführt werden. Die jungen Hobbyschauspieler waren derart engagiert bei der Sache, dass sie sich bereits 1962 an ihre erste größere Inszenierung wagten: Mit „Barabas“ tourte die junge Truppe durch etliche Kirchen im Untertaunus und erhielt neben verdientem Beifall viel Aufmerksamkeit. Nach einer Idee des ehemaligen Hohensteiner Bürgermeisters und Wirtes der Burg Hohenstein, Artur Michel, wurden 1964 die Burgspiele mit Eichendorffs „Die Freier“ von der damals so genannten „Evangelischen Jugendbühne Bad Schwalbach“ wieder aufgenommen („open air“).

Sie sind mittlerweile im Veranstaltungskalender der Region fest verankert, nur der Name des Ensembles hat sich über „Volksbühne Untertaunus“ als eingetragenem Verein 1965 mit Karl-Heinz Degenhardt als Erstem Vorsitzenden zur 1976 umgetauften heutigen „Taunusbühne Bad Schwalbach e.V.“ verändert. Erster Vorsitzender ist zurzeit Holger Schön. Aufgeführt wurden in der Vergangenheit unter anderem Märchen wie „Der gestiefelte Kater“ oder „Schneewittchen“ und „Räuber Hotzenplotz“. Auch Mundartstücke gehören mittlerweile zum Repertoire. Auf der Burg Hohenstein wurde im Lauf der Jahre eine bessere Bühne erbaut und ein mit viel Eigenleistung und Hilfe von Sponsoren 2011 ein Zeltdach installiert. Sitz der Taunusbühne ist heute das Anwesen in der Pestalozzistraße 1 in Bad Schwalbach, mit Umkleide- und Probenräumen, Kulissenwerkstatt und Lagerfläche.

Spielen verbindet

„Mir war überhaupt nicht bewusst, wo und wie weit sich das Ganze einmal entwickeln würde“, zitiert Holger Schön den Gründer Degenhardt, „mittlerweile ist aus den bescheidenen Anfängen in den vergangenen 60 Jahren ja etwas Großes entstanden“, ergänzt er; „Wir sind uns unserer Wurzeln sehr bewusst und schauen mit viel Dankbarkeit auf den Gründer Degenhardt und die Macher der ersten Stunde zurück.“ Der Verein hat derzeit 280 Mitglieder, der „harte Kern“ des Ensembles umfasst 30 bis 50 Leute, die überaus gern Theater auf der Bühne spielen wollen. Die Ensemblegröße verändert sich je nach Theaterstück.

„Theaterspielen ist unsere Leidenschaft und unsere Mission“, beschreibt Holger Schön den Leitgedanken der Taunusbühne. „Wir sind ambitionierte Amateur-Theaterspieler und können unser Hobby intensiv ausleben, ohne den Druck, damit Geld verdienen zu müssen. Klar ist aber auch: Die Mitgliedsbeiträge allein reichen nicht, wir brauchen auch die Einnahmen aus unseren zwei jährlichen Hauptproduktionen. Wir alle spielen hier ja ehrenamtlich und konnten schon Rollen übernehmen, die wir als Profis auf großen Bühnen wohl nie erhalten hätten. Bei uns dreht sich alles ums Spielen – vom Kassieren und der Bühnentechnik über die Jugendarbeit bis letztlich zum Bühnenauftritt.“

Intensive Jugendarbeit

In den altersunterschiedlichen Jugendgruppen wird das Theaterspielen unter Führung und Anleitung sorgfältig ausgebildeter (ehrenamtlicher) Gruppenleiter erlernt. Das hat viel mit Pädagogik zu tun, Motivation, Spielen und Verhalten im Team sowie die zum Theaterspielen erforderlichen „Werkzeuge“ zu erlernen. Diese sind beispielsweise Mimik, Gestik, Bewegung und Sprechtraining als Grundstock für einzustudierende Stücke mit Regisseur. Soziales Gefüge und Miteinanderspielen werden erlernt und gegebenenfalls trainiert. Spielen ist immer dabei: Vor jeder Probe finden Aufwärmspiele wie rhythmisches Klatschen im Kreis oder das Bilden von Wortketten statt, verschiedene Stimmungen werden im Gehen dargestellt. Das fördert die Konzentration und macht allen viel Spaß. Das Wichtigste für die Kinder bleibt dabei das eigentliche Spielen. Regelmäßig werden sie „eingeladen“, eigene oder fremde Stücke einzustudieren und umzusetzen, inklusive aller erforderlichen Planungen und Vorbereitungen bis hin zur Pressemappe, um alle Arbeiten und Abläufe und damit auch die Vereinsarbeit kennenzulernen. Es gibt über das Jahr hinweg auch immer wieder kleinere Jugendaufführungen an unterschiedlichen Orten. Für die „Theaterkinder“ ist das gleichzeitig eine gute Basis für ihre eigene weitere Entwicklung – in der Schule, im Studium und im Berufsleben.

Mit der Eigenproduktion  „Zwei wie Bonnie und Clyde“ sorgt die Taunusbühne in diesem Jahr für große Begeisterung und regen Zuspruch. Foto: Taunusbühne

Es gibt über das Jahr hinweg auch immer wieder kleinere Jugendaufführungen an unterschiedlichen Orten. Für die „Theaterkinder“ ist das gleichzeitig eine gute Basis für ihre eigene weitere Entwicklung – in der Schule, im Studium und im Berufsleben. Der Verein hat damit eine gute und stets nachwachsende Mitgliederbasis. Aktuell hat eine Gruppe im Kindergartenalter ab vier Jahren begonnen, weitere Altersgruppen sind von neun bis elf, von elf bis 14 und von 14 bis 18 Jahren. Eine weitere Gruppe von 16 bis 28 Jahren kümmert sich projektbezogen speziell um Kinder und Jugendliche. Mitmachen kann grundsätzlich jede und jeder, Anmeldungen kommen auch von außerhalb.

Spielen geht überall

Zum Theaterspielen braucht man keine Bühne, das geht ohne viel Aufwand auch zu Hause. Rollen- und Ratespiele, mit und ohne Verkleidung – eigener Fantasie und Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Das klappt mit Freunden und Familie gleichermaßen – und wer damit erst einmal begonnen hat, zieht das erfahrungsgemäß immer dem Spielen per Smartphone oder Konsole vor. Zu Weihnachten präsentiert die Taunusbühne Bad Schwalbach drei eigene Produktionen, die alle im Kurhaus Bad Schwalbach aufgeführt werden: Zusätzlich zum neuen Märchen „Rapunzel“ für Zuschauer ab vier Jahren (Dauer circa 60 Minuten) werden die im Sommer auf Burg Hohenstein gespielten Stücke „Fast Faust“ und „Zwei wie Bonnie und Clyde“ für erwachsene Zuschauer wieder aufgenommen.

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