VRM Wochenblätter
Wie solidarische Landwirtschaft funktionieren kann
Auch in Rüsselsheim und Trebur werden im Verein „Auf dem Acker“ Konsumenten freiwillig zu Erntehelfer
von Redaktion
Hattu Möhren? Keine Frage für die Bio SoLaWi „Auf dem Acker“.
Foto: Elmar Jason Lütge
Biologisch angebautes Obst und Gemüse aus der Region bekommen, ohne dabei die Anbauenden mit dem Risiko alleine zu lassen – das ist das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi). Die Unterstützer dieser Idee sind Menschen, die die Natur lieben, die bäuerliche Landwirtschaft erhalten möchten und Geld zusammenlegen, um einen oder mehrere Gärtner oder Landwirte (nach Tarif) und einen Hof zu finanzieren.
Auf diese Art und Weise wird das Ziel verfolgt, eine Landwirtschaftsform zu unterstützen, die gewissenhaft mit den natürlichen Ressourcen umgeht und aktiv die Naturlandschaft pflegt. Die Fachleute pflügen, säen, pflanzen und ernten. Manchmal brauchen sie dabei Unterstützung, etwa zur Erntezeit. Dann packen die Mitglieder mit an.
Die Bio SoLaWi „Auf dem Acker“ e.V., die sich 2017 in Trebur gründete, arbeitet auf dem Hof der Familie Muster in Rüsselsheim sogar nach „Bioland“-Richtlinien. Von den rund zehn Hektar Fläche sind vier arrondiert und mit dieselgetriebenem Wasseranschluss ausgestattet. Der Rest verteilt sich auf Streuobstbestände, Mähwiesen und Äcker. Der Verein bewirtschaftet aktuell rund 2,2 Hektar Ackerfläche, auf der rund 60 unterschiedliche Gemüse gedeihen. Er pflegt außerdem zirka einen Hektar Streuobst.
Aktuell befinden sich der fünfköpfige Vorstand und das Ackerteam-Quintett im vierten Anbaujahr. Bei einer Bieterrunde im Januar werden den Interessenten die kalkulierten Kosten vorgestellt. Sie geben in einer geheimen Runde ein Angebot im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten ab. Deckt die Summe aller Gebote die Kosten, kann der Betrieb starten. Liegt der Betrag darunter, so folgt eine weitere Runde. Im Allgemeinen beläuft sich ein ganzer Ernteanteil auf 80 bis 95 Euro pro Monat. Dafür erhält man wöchentlich Gemüse und etwas Obst von den Streuobstwiesen (Rhabarber oder Erdbeeren kommen erst in den nächsten Jahren hinzu), ausreichend für etwa zweieinhalb Personen. Das aktuelle Erntejahr, das am 1. April begann, wird mit 145 Mitgliedern bestritten, die über 90 Ernteanteile verfügen.
Mitbestimmung wichtig
Die Mitglieder sind für den Hof verantwortlich, bestimmen, was angebaut wird und wie viel. Sie erleben, wie alles gedeiht oder was passiert, wenn der Regen ausbleibt, Frost einsetzt und Schädlinge auftauchen. Kinder und Jugendliche können den natürlichen Kreislauf hautnah nachvollziehen und lernen, wo eigentlich ihr Essen herkommt.
Lernen sollte aber auch ein zentraler Wunsch für alle anderen sein: Lernen durch Mithelfen (mindestens zweimal im Jahr), aber auch durch Seminare und die gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen, bei denen neue Erkenntnisse (schonende Bodenbearbeitung, Permakultur…) zur Anwendung kommen. Im Vordergrund stehen dabei der Naturschutz und die Förderung von Flora und Fauna. „Wir wollen aktiv etwas gegen das Artensterben tun. Landwirtschaft nicht gegen die Natur, sondern mit ihr!“: So lautet das Credo.
„Auf dem Acker“ legt besonderes Augenmerk darauf, dass unnötige Transportwege, Lagerung und Verpackung vermieden werden, die Lebensmittel ohne Gentechnik und chemische Düngung und ohne den Einsatz von Pestiziden angebaut werden. Aktuell verfügt man über drei Abholstellen (Depots) in Rüsselsheim, je zwei in Rüsselsheim-Königstädten, Trebur und Bischofsheim sowie eine in Mainz und Wiesbaden. Auf Standortsuche ist man in Groß-Gerau und in Nauheim. Auch Mörfelden-Walldorf will man im kommenden Jahr bedienen. In jedem Depot, das eine Garage, ein Carport oder ein Keller sein kann, gibt es eine Verschenke-Kiste für Erzeugnisse, die man selbst nicht mag, aber vielleicht andere Mitglieder.
Zum sommerlichen Angebot zählen verschiedene Salate, Mangold, Lauchzwiebeln, Tomaten, Gurken, Zucchini, Bohnen, Brokkoli, Patisson und Lauch. Zur spätsommerlichen Auswahl gesellen sich Zwiebeln, Fenchel, Karotten, Rote Beete und Paprika. Im Herbst gibt es Kartoffeln, Bohnen, Paprika, Tomaten, Zucchini, Mangold, Lauch und Rucola, im Winter außerdem Zwiebeln, Knollensellerie, Feldsalat und Grünkohl. Das Frühjahr ist immer die größte Herausforderung, denn allzu früh gibt es noch nicht viel Frisches und das Lagergemüse geht langsam zur Neige. Dann aber folgen („nicht ganz so farbenfroh, aber lecker!“) Salat, Spinat, Radieschen, Frühlingszwiebeln und Kartoffeln.
Interessierte können sich auf der Homepage unter „Mitgliedsantrag“ für die Bieterrunde im Januar 2022 anmelden oder Fragen in einer Mail schicken. Infoveranstaltungen wird es ab November wieder geben.
Weitere Initiativen im Umkreis
Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft ist ein Zusammenschluss von Menschen mit landwirtschaftlichem Hintergrund und von Verbrauchern. Es versteht sich gleichermaßen als Bewegung, basisdemokratische Organisation und Verband. Es bietet Kontakt- und Beratungsmöglichkeiten sowie regionale und internationale Vernetzung an. Das Anliegen ist, möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, sich einzubringen und die Bewegung mitzugestalten. Die Postleitzahlensuche in Hessen listet 33
SoLaWis auf, eine in Groß-Umstadt (Warteliste!). In Egelsbach wächst seit 2012 bei der Hofgemeinschaft Birkenhof das Gemüse der SoLaWi Initiative Darmstadt und inzwischen auch von zwei Frankfurter Gruppen, Solawi Frankfurt-Main und SoLaWi 42 .
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