VRM Wochenblätter

Reparieren statt wegwerfen

Warum Reparatur-Cafés wie solche im Raum Babenhausen und Darmstadt-Dieburg so beliebt sind

von Redaktion

Vorhang auf für die Theatertage

Ein Bild ohne Abstand aus den Zeiten vor Corona: Mit Hilfe der ehrenamtlichen Hobbyhandwerker wurde im Babenhäuser Reparatur-Café schon so mancher Staubsauger wieder zum Laufen gebracht. Foto: Babenhäuser Ehrenamts-Agentur

Es ist noch früh am Morgen, als der Haarfön sich – gerade voll im Einsatz – plötzlich verabschiedet. Aus, vorbei, die schicke Fönfrisur muss einem improvisierten Look weichen. Anstatt das störrische Gerät aber irgendwo zur Reparatur zu bringen, ist noch vor dem Frühstück mit einem Klick ein neuer Fön bestellt, während der alte im Mülleimer landet. Keine Frage: Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Gretchenfrage: Lohnt eine Reparatur?

Doch der Laie weiß ja in der Regel überhaupt nicht, ob eine Reparatur noch möglich wäre. Dazu stellen sich so Fragen, wie: Wohin mit dem Gerät? Wo ist der Kassenzettel? Gibt es eine Garantie? Abhilfe schaffen könnte in einem solchen Fall auch das Reparatur-Café um die Ecke. Schließlich gibt es in vielen Kommunen heutzutage solche Selbsthilfewerkstätten, die sich frei nach dem Motto „Reparieren statt wegwerfen“ der Instandsetzung defekter Alltags- und Gebrauchsgegenstände verschrieben haben. Und das Schöne: Dazu gibt‘s auch immer ein kleines Verpflegungsangebot. So können Interessierte die Wartezeit meist mit Kaffee, Kuchen und oft auch mit einer spontanen Plauderei überbrücken.

Mehrere Reparatur-Cafés in Darmstadt-Dieburg

Im Landkreis Darmstadt–Dieburg gibt es mittlerweile in zahlreichen Städten und Gemeinden mehrere Repair- oder Reparatur-Cafés, unter anderem in Dieburg, Groß-Zimmern, Groß-Umstadt, Münster, Ober-Ramstadt und Pfungstadt, aber auch in Darmstadt im Martinsviertel und in Arheilgen.

In Babenhausen gibt es bereits seit Januar 2016 ein Reparatur-Café, das sich mittlerweile zu einer festen Institution in der Gersprenzstadt entwickelt hat. Unter dem Dach des Vereins „Herigar“ in Hergershausen, der seine Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellt, werden jeden letzten Mittwoch im Monat mit Hilfe von versierten, ehrenamtlichen Hobbyhandwerkern und -handwerkerinnen gebrauchte Alltagsgegenstände repariert. Dabei sind es nicht nur technische Geräte. Denn die ehrenamtlichen Bastler und Tüftler kümmern sich unter anderem auch um Textilien, Spielzeuge, Modelleisenbahnen oder Fahrräder.

Kaffee, Kuchen und Schraubenzieher

„Unser Reparatur-Café erfreut sich großer Beliebtheit“, erklärt Annemarie Gaßmann von der Babenhäuser Ehrenamts-Agentur (BEA), unter deren Dach die Cafés organisiert werden. Das Schöne an der Einrichtung in Babenhausen ist aber nicht nur die Reparatur. Sondern hier spielt auch der zweite Teil im Namen eine große Rolle: Die Wartezeit, bis das Gerät repariert wird, lässt sich bei Kaffee und Gebäck im Gespräch mit anderen Besuchern und Besucherinnen angenehm überbrücken. „Das bestätigt, das das Reparatur-Café wichtig und gut für die Menschen ist. Es werden ja nicht nur Gegenstände repariert. Auch das Miteinander und der Austausch zwischen den Besuchern ist schön Und es macht allen Spaß, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“, betont Gaßmann. Es kann sich aber auch durchaus lohnen, den Experten bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen.

„Gutes Gefühl“

„Die Miteinbeziehung in die Reparatur des Gerätes ist für viele Besucher eine neue und tolle Erfahrung“, erklärt Gaßmann. Denn da zeigt sich für viele, dass ein Reparaturversuch sich allemal lohnt. Im günstigsten Fall kann das Gerät vor Ort beim ersten Termin ohne Ersatzteile kostenlos wieder zum Laufen gebracht werden. In manchen Fällen brauchen die Reparateure aber auch Ersatzteile, die die Besitzer bis zum nächsten Reparatur-Café-Termin besorgen können. Oder sie zahlen für das vom Fachmann bestellte Teil. „Lautet die Fehleranalyse im schlimmsten Fall irreparabel, bleibt neben einer neuen Erfahrung das gute Gefühl, eine Reparatur zumindest probiert zu haben“, betont Gaßmann. Natürlich können Reparatur-Cafés keine Garantie für ein Gelingen der Reparatur geben.

Auch Reparatur-Café in Babenhausen startet wieder durch

Im Reparatur-Café der Babenhäuser Ehrenamtsagentur geht‘s nach der Corona-Pause wieder los: Am Mittwoch (30. Juni) können Interessenten von 17 bis 20 Uhr reparaturbedürftige Gegenstände vorbei bringen. Wichtig ist es dabei, alle Zubehörteile wie etwa Fernbedienungen, Anleitungen, Netzkabel oder Schaltpläne mitzubringen, damit gezielt geschaut werden kann, wo der Fehler liegt. Auch bei textilen Problemen (Hose umnähen, Vorhänge säumen) sowie bei Fragen rund um Wolle (Ferse stricken, Schal oder Fausthandschuhe stricken oder häkeln) helfen die Reparateure weiter. „Die Bürger stehen schon in den Startlöchern und fragen nach, wann es denn endlich wieder los geht“, erklärt Gaßmann.

Kontakt und Infos

Das Reparatur-Café der Babenhäuser Ehrenamtsagentur befindet sich in Hergershausen in den Räumen des Vereins „Herigar“, Rodgaustraße 16, im ersten Stock. Bei Fragen und Anregungen kann man sich an Annemarie Gaßmann, Telefon (06073) 60248, im Rathaus oder per E-Mail an  wenden.

Eine Übersicht zu Reparatur-Initiativen gibt es hier.

Müll vermeiden, Ressourcen sparen, Umwelt schonen und nachhaltige Lebensweisen in der Praxis erproben sind die Ziele der nichtkommerziellen Reparatur-Treffs, Reparier-Bars oder Repair Cafés. Sie organisieren Zusammenkünfte, bei denen defekte Alltagsgegenstände in angenehmer Atmosphäre gemeinschaftlich repariert werden: Elektrische und mechanische Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, aber auch Textilien, Fahrräder, Spielzeug und andere Dinge.
Gemeinsam wieder in Gang bringen, meint hier nicht „kostenloser Reparatur-Service“, sondern gemeinschaftlich organisierte Hilfe zur Selbsthilfe. Getragen werden die Bastler-Treffs von ehrenamtlich Engagierten und Reparierenden, die ihr Wissen und Können freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung stellen, weil sie Interesse an Technik und Selbermachen haben.
Außerdem unterlaufen die Initiativen durch die Reparaturen Obsoleszenzstrategien und verlängern so die Nutzungsdauer von Gebrauchsgütern. Interessierte und Tüftler können dort Erfahrungen austauschen und eine gute Zeit miteinander verbringen. Daher sind Kaffee und Kuchen ebenso wichtiger Bestandteil wie Schraubenzieher und Lötkolben. In Deutschland koordiniert die „anstiftung“ das Netzwerk für Reparatur-Initiativen – aktuell liegt deren Zahl in Deutschland bei über 1.500, weitere befinden sich in der Gründungsphase.

repaircafe.org

Repair Café ist eine Initiative von Martine Postma. Das allererste Repair Café organisierte die Journalistin und Bloggerin am 18. Oktober 2009 in Amsterdam. Für die heute 51-Jährige war dies der Anlass, die Stiftung „Stichting Repair Café“ ins Leben zu rufen. Die niederländische Non-Profit-Organisation bietet lokalen Gruppen im In- und Ausland, die selbst ein eigenes Repair oder Reparatur Café (ein anderer Name ist nicht möglich) eröffnen wollen, seit 2011 professionelle Unterstützung an. Für einen einmaligen Beitrag von 49 Euro gibt es ein Startpaket mit Handbuch, (verpflichtendem) Logo und diversen Vorlagen.

runder-tisch-reparatur.de

Seit 2015 vernetzt der Runde Tisch Reparatur alle Akteure der Reparaturbewegung und bringt ihre Forderungen in politische Prozesse und öffentliche Diskussionen ein. Gemeinsam mit seinen Partnern setzt er sich zudem auf europäischer Ebene im Rahmen der Right to Repair Europe-Kampagne für die Reparaturförderung ein. Er fordert: Zugang zu Ersatzteilen für alle, reparaturfreundliches Produktdesign und ein EU-weites Reparaturlabel.

murks-nein-danke.de

Der Berliner Verein ,,Murks? Nein Danke!“ setzt sich gegen geplante Obsoleszenz (Verschleiß, Veralterung) und für nachhaltige Produktqualität und Produktverantwortung im Sinne einer Ressourcen schonenden Kreislaufgesellschaft ein.

de.ifixit.com

iFixit ist eine weltweite Gemeinschaft von mehreren Millionen Bastlern, Technikern und Freiwilligen, die sich gegenseitig beim Reparieren ihrer Dinge helfen, indem sie online Anleitungen und Wissen teilen. iFixit wurde 2003 von Luke Soules und Kyle Wiens während ihres Ingenieursstudiums an der Cal Poly Universität in San Luis Obispo gegründet.
Alles begann, als die beiden ein altes iBook reparieren wollten. Der Stuttgarter Matthias Huisken gründete Ende 2013 mit einem Geschäftspartner iFixitEurope als Tochterfirma. Hier finden sich Anleitungen, ein Forum, ein Reparierbarkeits-Index für Smartphones (vom iPhone 1 aus dem Jahr 2007 bis zum Huawei Mate 40 Pro von 2020), Tablets und Laptops und die dazu passenden Werkzeuge und Ersatzteile.

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