VRM Wochenblätter
Foto: Felix Lieb
Böller gegen Geometrienachhilfe. Oder zumindest gegen ein Zertifikat, mit dem die mathematische Kompetenz für das Abfeuern von Silvesterkrachern nachgewiesen wird. Das ist es, was ich mir wünsche. Das würde unser Bildungsniveau in derart astronomische Höhen treiben, dass selbst Pisa wieder geradegerückt wird. Ich habe ja nicht wirklich was gegen das Silvestergekrache, mal abgesehen von dessen Gestank, den Nebelschwaden, der Umweltfolter. Ein kunstvolles Feuerwerk hoch droben am Himmel hat sicher etwas Reizvolles. Wären da nicht die Knallkörper, die ihre Knallkörper statt senkrecht nach oben mehrfach waagerecht in die Menschenmassen jagen. Dann glänzt mitunter nicht nur der Horizont schön bunt, sondern auch manches Körperteil von Personen, denen ungefragt der Ehre als menschliche Zielscheibe zuteil wurde und die sich im Anschluss über den kostenlosen Transport ins nächste Hospital freuen dürfen. Wenigstens das Taxigeld gespart.
An Silvester geht es vielen darum, Grenzen auszutesten – Promillegrenzen wohlgemerkt. Infolgedessen gerät alkohol- – und nach mancher nachträglich bereuter Jahreswechsel-Kopulation real geschwängert – nicht nur die jeweilige Person, sondern eben auch die Perspektive auf die Welt in Schieflage. Da wird die Unterscheidung von Horizontaler und Vertikaler schon mal zur Interpretation, folglich nicht nur der Homo Sapiens ob seines schwankenden Gangs, sondern eben auch der Silvesterknaller zum Irrläufer.
Und dann ist da noch der Wahnsinn mit den guten Vorsätzen. Als ob man Punkt null Uhr, 1. Januar, plötzlich zum besseren Menschen reift, weil man all das umsetzen will, worin man Jahre zuvor schon versagt hat: Sich einen angenehmen Charakter aneignen. Nur dann reden, wenn es hilfreich ist (also nie). Lieb und nett zu den Mitmenschen oder zumindest die, die man dafür hält, sein, statt sie zu verhauen. Mehr faktenfeste, wissenschaftlich fundierte, nachweisbare Information zur Meinungsbildung heranziehen, statt faktenfreies Verschwörungsgesabbel nachplappern oder absondern. Weniger rauchen und saufen. Ganz verwegen: mehr Sport treiben. Oder noch verwegener: Überhaupt den Hintern vom Sofa am – geschlossenen – Kühlschrank vorbei vor die Haustür bewegen und bemerken, dass die Wirklichkeit irgendwie anders aussieht als bei Netflix und Co. Absolut reales 3D und Dolby Surround ohne technischen Firlefanz.
Sicher: Die guten Vorsätze, sie garantieren Existenzsicherung zumindest der Fitnessstudiobetreiber. Denn immer am Jahresanfang, kriechen sie aus ihren Löchern, die zahlenmäßigen wie optischen Massen, sofern die Löcher groß genug sind für die erfolgreich erworbenen Neupfunde, zwingen nach der Unterschrift als sportliche Neuanwärter in jenen Muskel-Etablissements nach drei Schritten schweißtriefend die Laufbänder in die Knie, verheben sich an 500 Gramm-Hanteln oder bringen mit versuchten Klimmzügen die Deckenkonstruktion der Trainingsräume zum Einsturz. All dies wird begleitet von heftigen Atemgeräuschen und angestrengten akustischen Ausschmückungen ähnlich der Artikulation bei Presswehen, während muskelbepackte Kein-Hirn-Akrobaten und Standard-Fitnessstudiogänger irritiert verstummen, weil deren Brunftschreie im Angesicht der Tonnen von Gewichten völlig untergehen.
Für die Tabakindustrie ist bereits am 2. Januar Entspannung angesagt. Da greifen dann all die potenziellen Nichtraucher, die schon lange dem Tabak den Rücken kehren wollten, noch einmal zur letzten Zigarette und lassen weitere 80 letzte Fluppen pro Tag folgen. Und überhaupt? Warum muss man mit den guten Vorsätzen erst an Neujahr beginnen? Warum nicht, wenn es an der Zeit ist, also sofort? Warum mit Frieden und Friedfertigkeit warten, bis die Welt schon in Trümmern liegt? Vielleich müssen wir dann nicht den großen (un-)heilsamen (Silvester-)Knall herbeisehnen, damit alles besser wird. Die Welt retten können wir doch sofort.
Für dieses Vorhaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und unabhängig davon einen ein frohes, gesundes und verletzungsfreies neue Jahr 2023.
Ihr Felix Lieb
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