VRM Wochenblätter
Teamgeist und Leidenschaft
Wie Mädchen und Frauen in der Region Vereinsfußball leben und erleben
Von Marie Huhn
Trikot überziehen, Fußballschuhe zuschnüren und ab auf den Platz. Auch winterliche Temperaturen können die rund 15 Mädchen nicht davon abhalten, am frühen Abend auf dem Geisenheimer Kunstrasen aufzulaufen. Schließlich wird es beim Dribbeln, Schusstechniken-Üben und natürlich Tore-Schießen schnell warm – durch den Spaß, den man den Mädchen anmerkt, sowieso. Als eine von drei Jugendgruppen des 1. FFC Geisenheim trainieren die jungen Mädchen zwei Mal pro Woche – genauso wie die Frauenmannschaft des Vereins. Die ganze Woche über stehen beim Geisenheimer Verein also die mittlerweile rund 45 fußballbegeisterten Frauen und Mädchen im Fokus. Damit ist der FFC nicht allein in der Region. Auch beim MFFC Wiesbaden dreht sich alles ausschließlich um Mädchen- und Frauenfußball, als erster und einziger Verein in Wiesbaden. Und das mit Erfolg: Inzwischen kicken rund 200 Mädchen und Frauen von der U9 bis zur ersten Frauen-Mannschaft, die aktuell in der Hessenliga spielt und zukünftig sogar die Regionalliga, die dritthöchste Spielklasse bei den Frauen, im Blick hat. Doch warum braucht es reine Frauenvereine? Schließlich gibt es einige Vereine, egal ob im Rheingau mit dem SSV Hattenheim, im Untertaunus beim SV Heftrich und TSV Taunusstein Bleidenstadt oder auch beim SV 1921 Erbenheim in Wiesbaden – um nur einige zu nennen – die fußballbegeisterten Frauen in der Region einen Platz geben.
Tag des Mädchenfußballs beim 1. FFC Geisenheim: Das Angebot für die weiblichen Kicker steht im Verein im Mittelpunkt. Damit ist der Verein allerdings auch deutschlandweit eher eine Ausnahmeerscheinung. Foto: 1. FFC Geisenheim
„Wir erleben immer wieder in Vereinen, die auch Männerfußball anbieten, dass hier der Fokus auf den Männern liegt und die Frauen nebenherlaufen. Bei uns steht der Frauenfußball im Mittelpunkt!“, erklärt Svenja Rode vom MFFC Wiesbaden. Sie selbst habe mit zehn Jahren angefangen, Fußball zu spielen, und dadurch selbst einiges an Erfahrung gesammelt. „Irgendwann ist man, wenn man bei den Jungs mitspielt, ‚das Mädchen‘ in der Mannschaft – nicht unbedingt im eigenen Team. Aber bei gegnerischen Mannschaften bekommt man da immer wieder einen Spruch zu hören.“ Denn in den 50 Jahren seit der Frauenfußball vom Deutschen Fußball-Bund offiziell in die Satzung aufgenommen wurde – oder anders gesagt, das Verbot für den Frauenfußball aufgehoben wurde – sei zwar einiges passiert, es sei aber eben immer noch viel zu tun.
Schaut man auf die Zahlen des Deutschen Fußball-Bundes so zählte dieser 2020 rund 78.000 Frauen und knapp 70.000 Mädchen in deutschen Fußballvereinen. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr kickten rund 1,6 Millionen Jungs und Männer in einem Verein. Als einer der Gründe dafür nennen sowohl Svenja Rode vom MFFC Wiesbaden als auch Jürgen Popperl, sportlicher Leiter des 1. FFC Geisenheim, die mangelnde Berichterstattung.
„Auf Profi-Niveau nimmt die Berichterstattung etwas zu, aber das betrifft nicht die Amateure“, erklärt Popperl. Dabei seien die Medien enorm wichtig, um überhaupt erst Interesse und Aufmerksamkeit für den Sport zu schaffen. „Leider werden unsere Spielberichte häufig gar nicht erst veröffentlicht“, kritisiert er. Ob das daran liege, dass das Leserinteresse bei den Männern deutlich höher sei, oder aber, dass Frauenfußball grundsätzlich noch nicht als gleichwertig wahrgenommen werde, sei letztlich eine Henne-Ei-Frage. „Durch den Fokus der Medien wird Fußball immer noch als Männerdomäne wahrgenommen und nicht als toller Sport für Mädchen und Frauen“, merkt Rode an. Aufmerksamkeit schaffen die beiden Vereine deshalb vielmehr auf eigene Faust, wie über den Tag des Mädchenfußballs. In Geisenheim waren in diesem Jahr rund 30 Mädchen mit dabei. Der MFFC Wiesbaden konnte nach dem Aktionstag sogar eine neue Mannschaft ins Leben rufen.
Lange Zeit kein eigenes Trainingsgelände
Und trotzdem gehören Vorurteile und mangelnde Akzeptanz zum Alltag der Fußballerinnen. „Es kommt immer wieder dazu, dass Freizeitkicker auf unseren Plätzen sind und zu unseren Trainingszeiten keinen Platz für die Mädels machen wollen“, berichtet Rode. Seit sich der Verein 2004 gegründet habe, habe es zehn Jahre gedauert, bis die Frauen des MFFC überhaupt ein festes Trainingsgelände bekommen hätten. Mittlerweile teile man sich mit Blau-Gelb Wiesbaden den Trainingsplatz auf der Rheinhöhe, was insgesamt gut klappe, für die Anzahl der Mannschaften aber eigentlich zu wenig sei.
Auch der FFC Geisenheim kennt diese Probleme. Mangelnde Wertschätzung sei der Hauptgrund gewesen, warum sich der FFC Geisenheim im Januar 2013 gegründet und vom FV 08 Geisenheim getrennt habe. „Wir haben immer wieder zu spüren bekommen, dass wir nur eine untergeordnete Rolle im Verein spielen – auch einige abwertende Sprüche sind gefallen“, erinnert sich Popperl. Mittlerweile sei man aber stolz, sagen zu können: „Wir arbeiten hier sehr erfolgreich, sodass die, die uns weggejagt haben, etwas verstummt sind und vielleicht sogar froh wären, wenn wir wieder da wären.“ Schließlich ist der FFC seit der Gründung 2013 drei Mal aufgestiegen und feierte gerade erst den Sieg des Kreispokals. Der zweite Platz, den das Frauenteam zur Winterpause in der Gruppenliga West belegt, lässt zudem andeuten, dass das Ende noch nicht unbedingt erreicht ist.
„Viele Vereine müssen kämpfen, um ihren Spielbetrieb aufrechterhalten zu können“
Wie weit es geht, sei letztlich aber auch eine finanzielle Frage. „Wir kämpfen als Verein um jeden Cent“, gibt Popperl zu. Denn gerade die Suche nach Sponsoren sei als kleinerer Verein extrem schwierig. Die Spielerinnen finanziell zu unterstützen sei deshalb nur in Maßen möglich. „Wir fahren zu unseren Spielen bis zu 100 Kilometer, die die Mädels selbst zurücklegen müssen“, berichtet Popperl.
Dass man durch Corona Mitgliederverluste hat verzeichnen müssen, habe entsprechend umso schwerer gewogen. Mittlerweile nehme der Zulauf aber wieder zu – in Geisenheim wie auch in Wiesbaden. Von einem Boom im Mädchenfußball kann allerdings trotzdem nicht gesprochen werden. „Viele Vereine müssen kämpfen, um ihren Spielbetrieb aufrechterhalten zu können“, meint Rode. Das liege auch daran, so wisse sie aus eigener Erfahrung, dass es als Frau schwer sei, den hohen Aufwand zu betreiben, leistungsorientiert Fußball zu spielen.
Rode selbst spielte für die Regionalauswahlen in Hessen und lief für Eintracht Frankfurt und den 1. FFC Frankfurt sogar in der B-Junioren-Bundesliga auf. Mit Beginn ihres Studiums merkte sie allerdings, dass der Aufwand, den man betreiben muss, um in einer hohen Spielklasse mithalten zu können, kaum stemmbar ist, wenn man dafür keinerlei monetäre Vergütung bekommt. „Wer mit Frauenfußball Geld verdienen will, muss ganz oben dabei sein und selbst dort sind wir Welten entfernt vom Männerfußball“, erklärt Rode. Doch bis es in dieser Hinsicht Gleichberechtigung gebe, werde es wohl noch lange dauern.
Davon abhalten, ihren Sport zu leben und mit Leidenschaft auf dem Platz zu stehen, lassen sich die fußballbegeisterten Frauen, egal ob in Wiesbaden, Geisenheim oder der gesamten Region, aber trotzdem nicht – ganz im Gegenteil. „Bei uns weiß man: Die Mädels, die auf dem Platz stehen, tun das, weil sie Bock drauf haben und nicht, weil sie Geld dafür bekommen“, so Rode. Auch für Popperl sei der Zusammenhalt im Verein und die familiäre Atmosphäre das, was den FFC Geisenheim besonders mache. „Bei uns ist jede willkommen, die Lust auf Fußballspielen hat – egal, woher sie kommt und welchen Hintergrund sie hat.“ Auf dem Platz gelte: Jede ist gleich, denn Team bedeutet Familie. „Dass unsere Spielerinnen das bei uns schätzen, sieht man daran, dass viele seit Jahren bei uns spielen und sogar über die Grenzen des Rheingaus hinaus zu jedem Training angereist kommen.“
Zukunftswünsche im Verein
Diesen Zusammenhalt wolle sich der Verein auch für die Zukunft behalten und über alle anderen Ziele stellen. Zudem hofft Popperl, mit der Leidenschaft für den Frauenfußball noch viele Mädchen und Frauen anzustecken. „Ich wünsche mir für die Zukunft mehr Wertschätzung für den Frauenfußball – in der Gesellschaft und medial“, sagt Rode. Denn, da sind sich beide einig: „Frauenfußball ist ein grandioser Mannschaftssport. Das Gefühl, gemeinsam auf dem Platz zu stehen und etwas zusammen erreichen zu können, ist eine ganz eigene Welt und macht unheimlich Spaß – unabhängig vom Geschlecht!“
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