VRM Wochenblätter

Nov 24, 2021 | Spielen

Gemeinsam großartige Welten erleben

Klaus Teuber über die Bedeutung des Brettspiels und das wegweisende Jahrhundertspiel „Catan“

Von Andrea Glogowski

Das Brettspiel ist beliebter denn je – Online-Gaming, Apps und PC-Spielen zum Trotz. Es wird gespielt, was das Zeug hält, auch analog. Seit Jahren verbucht die Branche steigende Umsätze. Corona hat den Trend noch befeuert: Der Markt für Brettspiele und Puzzles verzeichnete allein für 2020 einen Zuwachs von rund 20 Prozent; in den ersten acht Monaten dieses Jahres bereits ein Plus von 14 Prozent, wie der Verbund der wichtigsten Spieleverlage Deutschlands, der Spieleverlage e. V., mitteilt.

Hier dreht sich alles ums Spielen: Benjamin Teuber (links) unterstützt seinen Vater Klaus Teuber bei der Vermarktung des Welterfolgs „Catan“. Somit bleibt dem Spieleautor mehr Zeit, um neue Ideen zu entwicklen. Foto: Patrick Liste

Eine nur scheinbar überraschende Entwicklung. Denn „das Brettspiel ist ein Medium für den Menschen, sich zu begegnen, gemeinsam in einem vorgegebenen Setting Großartiges zu erleben, sich in Rollen auszuprobieren und ohne Konsequenzen Fehler machen zu dürfen“, beschreibt Klaus Teuber, was den Reiz des Brettspielens ausmacht. „Und es ist Gelegenheit, sich ganz anders als im normalen Gespräch kennenzulernen. Spielen setzt Emotionen frei.“
Natürlich bietet die digitale Spielwelt eine große Vielfalt. „Doch viele Menschen verbringen den Arbeitstag vor dem Bildschirm, da bieten die Haptik, das Mittendrin-Sein in und die Gesprächsimpulse aus der Spielerlebniswelt einen Ausgleich“, ergänzt Benjamin Teuber, der einer der Geschäftsführer der „Catan GmbH“ ist. Hinzu kommt, dass der Brettspielmarkt längst für jeden etwas zu bieten hat: Gab ab es in den 1980er Jahren nur ein paar Dutzend Neuerscheinungen, belaufen diese sich aktuell auf rund 1200 neue Spiele. Pro Jahr. Einige dieser neuen Entwicklungen tragen die Handschrift von Klaus Teuber. Er ist Schöpfer bekannter Spiele, wurde in seiner Laufbahn als Spieleautor viermal mit dem „Spiele-Oskar“ dem „Spiel des Jahres“ und ebenso oft mit Fachpublikumspreis „Deutscher Spielepreis“ ausgezeichnet. 

Schon sein Erstlingswerk „Barbarossa“ – heute noch als „Knätsel“ auf dem Markt – begeisterte 1988 auf Anhieb. In seinen Stand als weltweit bedeutender Spieleautor hat den Roßdörfer allerdings ein andere Idee katapultiert: „Die Siedler von Catan“ – 1995 erschienen, bislang in 40 Sprachen übersetzt und in 70 Ländern millionenfach verkauft. Seit 2015 erscheinen alle Variationen weltweit mit einheitlichem Cover unter der Dachmarke „Catan“. Diese gilt übrigens als zweiterfolgreichste Branchenmarke nach „Monopoly“. Und eine Ende der Erfolgsgeschichte von „Catan“ ist nicht in Sicht.
An der internationalen Vermarktung des modernen Spieleklassikers und seiner Ableger arbeitet in der „Catan GmbH“ neben Benjamin Teuber auch sein Bruder Guido Teuber als Geschäftsführer mit. „Es ist eine wundschöne Sache, mit meinen Söhnen zusammenzuarbeiten“, sagt der der gebürtige Odenwälder, „und ich habe so mehr Zeit,zusammen mit Benjamin neue Spiele zu entwickeln.“ Ob bald ein neues Erfolgsspiel dabei herauskommt?Das steht in den Sternen, Regeln für ein Erfolgsrezept gibt es nun mal nicht.

Die Siedler von Catan wegweisend für die Branche

„Catan“ indes gilt seit seinem Erscheinen als wegweisend für die Branche und es hat auch nach 26 Jahren nichts von seinem Charme verloren. Stichwort Sterne: im laufenden Weihnachtsgeschäft sehr gefragt ist die neu aufgelegte Weiterentwicklung der Sternfahreredition, auch die Erweiterung „Aufstieg der Inka“ sowie ein Szenarienset und die neu aufgelegte 3D-Edition. Natürlich hat „Catan“ auch eine Insel in der digitalen Welt gefunden. Nebene der App „Catan Universe“, bei der in virtuellen Städten zusammengespielt wird, gibt es auch die Erklär-App „Catan Assistent“, die Schritt für Schritt durch ein Spiel führt. Doch warum hat „Catan“ solch einen Stellenwert für die Welt der Brettspiele? Nicht nur, dass „Catan“ mit seinem Erscheinen durch eine völlig neue Form des Regelwerks eine Wegmarke setzte und auch das quadratische Spielkistenformat erst mit „Catan“ auf den Markt kam.

„Siedeln und handeln ist dem Menschen so nah, dass es überall funktioniert“ (Klaus Teuber)

Die eigentliche Erklärung liegt im Spiel selbst – und verrät sehr viel über den Charakter, aber auch die wachsende Freude am Brettspiel an sich: „Catan“ ist intuitiv. „Siedeln und handeln ist dem Menschen so nah, dass es überall funktioniert“, sagt Teuber. In diesem Spiel „verliert zudem keiner sein Gesicht, wer verliert, hatte einfach Pech“, beschreibt der Erfinder die raffinierte Balance aus Würfelglück und Strategie.

Genauso entscheidend ist der in den 1990ern neuartige konstruktiv-kooperative sowie interaktive Ansatz. Anstatt gegeneinander zu spielen, wird gemeinsam eine Welt erschaffen, zu der jeder etwas beiträgt und in der alle Spieler jederzeit einbezogen sind. Die Variabilität dieser Welt in jedem neuen Spiel sorgt dafür, dass es nie langweilig wird. Der kooperative Ansatz ist mittlerweile etwas, das als charakteristisch für die weltweit beliebten „German“ oder „European Board Games“ gilt und sich in modernen Spielen oft wiederfindet, etwa wenn es um die Weltrettung vor Pandemien oder Kriegen geht – gemeinsam wird gegen das Spiel gespielt. Für viele Spielende ein schöner „Kurzurlaub von einem raueren Alltag“, glaubt Benjamin Teuber.

Spielend viel über sich selbst lernen

Genau diese Eigenschaften sind es, die für ihn zusammengefasst den großen Wert des Spiels als Kulturgut unterstreichen: „Spiele sind pädagogisch wertvoll, ohne diesen Anstrich zu haben“, erklärt er. „Man lernt viel – über sich selbst und über andere, zum Beispiel, ob jemand eher kooperativ oder rachelustig ist, welche Folgen Entscheidungen in den Spielwelten haben können, nach dem Trial-and-error-Prinzip.“ In vielen Spielen seien neben Empathie, guter Beobachtung auch Logik und Mathematik gefragt. Diese und andere wichtige Kompetenzen spielerisch üben – in der Tat, schöner und unterhaltsamer kann lernen kaum sein.

Lesen Sie mehr über das Thema Spielen

Leidensfähige Gentlemen

Leidensfähige Gentlemen

Vielleicht geht es Ihnen manchmal so: Sie schalten abends den Fernseher ein, zappen durch die Kanäle, sehen Billardspieler, denken sich: ,Oh nein, nicht schon wieder dieses Billard!’ – und schalten schnell weiter. Eine passende Frage dazu könnte lauten: ,Warum um Himmels Willen wird das bloß so oft gezeigt?’ Die Antwort: Es ist eben nicht einfach nur Billard, es ist Snooker!…

Warum spielt der Mensch?

Warum spielt der Mensch?

Wir spielen für unser Leben gerne. Ob in der Familie, auf Partys, allein am Computer. Doch warum eigentlich? Und seit wann spielt der Mensch? Der Zeitvertreib geht weit zurück. Schon im alten Ägypten wurde gespielt…

Brettspiel aus Uropa’s Zeiten

Brettspiel aus Uropa’s Zeiten

Das Wochenblatt will es wissen: Wie sieht der perfekte Spielabend aus und wer kennt noch das Pfennig-Spiel? Alles, was man dafür braucht, sind zwei Würfel, ein Spielbrett und jede Menge Pfennige. Wahlweise gehen natürlich auch modernere Cent-Münzen oder andere Spielsteine.

VRM Wochenblätter