VRM Wochenblätter
Wenn aus einer Idee eine Erfolgsgeschichte wird
Die SoLaWi Mainz produziert in Gonsenheim Gemüse für rund 400 Mitglieder / Erst belächelt, heute anerkannter Betrieb
von Redaktion
Bei der Ernte sind auch die Mitglieder im Einsatz. Foto: Verein SoLaWi Mainz
In den letzten beiden Jahren erlebt der Anbau von Gemüse auf Balkonen und Hausgärten einen Boom. Die Pandemie hat bei vielen Menschen dazu geführt, sich mehr Gedanken über gesunde Lebensmittel zu machen und die Lust am Gärtnern zu entdecken.
Aber schon 2013 haben sich Menschen in der Mainzer Neustadt intensiv mit dem Gedanken einer eigenen Gemüseproduktion beschäftigt: lokal und ökologisch anbauen, am besten mit einem eigenen Hof. „Neue Städter braucht das Land“ war der Titel einer Veranstaltung, an der sich rund 40Teilnehmer über die Idee einer Solidarischen Landwirtschaft informierten. Im Oktober 2013 setzte sich dann ein Gründungsteam zusammen, das sich über zwei Jahre regelmäßig getroffen hat und auf die Suche nach einem geeigneten Hof machte. 2015 gab es das erste Pachtangebot über 1500Quadratmeter Fläche auf der Ochsenwiese am Ortsrand von Gonsenheim. Der Mainzer Stadtteil hat eine lange landwirtschaftliche Geschichte, nach dem Krieg bauten rund 350Betriebe in den fruchtbaren Böden Gemüse an. Noch im gleichen Jahr gründete sich der Verein SoLaWi Mainz und für zehn Haushalte (Anteile) der Mitglieder wurde dort das erste Gemüse als Pilotprojekt angebaut.
Motiviert vom Erfolg wurde für 2016 eine Erweiterung auf 70Anteile angestrebt und die Suche nach weiteren Flächen intensiviert. Thilo Kaster, Gärtner und Gründungsmitglied der ersten Stunde, beschreibt die Suche: „Ich habe wirklich jeden, der auf einem Traktor saß, nach Flächen gefragt.“ Und die Ausdauer zahlte sich schließlich aus. Sebastian Schwalbach, dessen Vater Inhaber eines Gartenbaubetriebs in Gonsenheim war, zeigte sich von der SoLaWi-Idee begeistert. Man wurde sich einig, Familie Schwalbach vermietete eine Halle in der Klosterstraße und 2000Quadratmeter Anbaufläche an den Verein.
Verein ist Arbeitgeber
Bei der Infoveranstaltung 2016 wurden der Anbau- und Finanzplan für 70 Anteile vorgestellt und neue Mitglieder für die Umsetzung gesucht. 2018 vergrößerte man sich auf 105Anteile, 2019 auf 117 und ist heute bei 120Anteilen. 2022 ist die Mitgliederzahl auf etwa 400 angestiegen, die Warteliste für einen Anteil – den sich auch zwei Haushalte teilen können – ist lang.
Die SoLaWi Mainz ist Arbeitgeber für vier Gärtnernde, die auf 2,5Hektar Gemüse die Ernteanteile planen, anbauen und ernten. Insgesamt verfügt man über sechs Hektar Anbaufläche, die im Sinne der Fruchtfolge aber nicht komplett bewirtschaftet werden. Samenfeste Sorten, eine eigene Jungpflanzenzucht, die Düngung mit biologisch angebautem Ackerbohnenschrot, eine sparsame und effektive Bewässerung, kein Einsatz von Pestiziden und eine schonende Bodenbearbeitung sind die gärtnerischen Grundsätze. Ein Organisationsteam und verschiedene Arbeitskreise, beispielsweise für Finanzen, Mitglieder oder Bildung, organisieren den Verein, alle arbeiten dabei ehrenamtlich.
Transparenter Finanzplan
Zu Beginn des Jahres wird in einer Mitgliederversammlung der Finanzplan für das Jahr vorgestellt. Darin enthalten sind alle Kosten für den Anbau also beispielsweise Löhne für die Gärtner, Rücklagen für notwendige Investitionen, Miete und Pacht, Maschinen und Saatgut- und Düngebedarf. In einer Bieterrunde können die Mitglieder dann ihren Beitrag für einen ganzen oder halben Ernteteil nennen. Jeder bietet das, was er kann und möchte, die Teilhabe wird so jedem möglich gemacht, unabhängig von der Einkommenssituation. Ziel ist das Erreichen des Finanzbedarfs, für das es bis jetzt nur selten mehr als eine Bieterrunde erfordert hat. Das finanzielle Risiko wird gemeinsam getragen, genauso wie die Ernte geteilt wird. Aber auch Arbeitseinsätze auf dem Feld oder die Mitarbeit bei der Ernteverteilung sind für das Funktionieren des SoLaWi-Prinzips erforderlich. Besonders Familien engagieren sich, neben dem Spaß an der Gartenarbeit steht der Genuss des frischen und gesunden Gemüses.
Anerkennung im Ort
Der Verein ist in Gonsenheim angekommen. Wurde man in den Anfangsjahren von den ansässigen Landwirten noch belächelt, ist man heute zu einer Gemeinschaft geworden, die sich gegenseitig hilft. Die SoLaWi wird als Betrieb ernst genommen. Und inzwischen ist sie der einzige Anbaubetrieb für Gemüse im Ort. Auf ihren Feldern wird außerdem eine ureigne, lokale Karotte kultiviert: die Gonsenheimer Treib, die bis heute in den Saatgutkatalogen gelistet ist.
Mehr Infos gibt es hier.
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