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22.06.23 | Lokalausgaben

Medialer Lückenbüßer

Im Sommer gerät ein Dorf ins journalistische Blickfeld und Norbert Blüm war auch schon hier

von Redaktion

Sommerloch liegt nahe Bad Kreuznach und Bingen.  Foto: kaipity_stock.adobe.com 

Tote Hose im Blätterwald. Auf ins Sommerloch. Das darf dieser Tage durchaus territorial verstanden werden. Denn Sommerloch gibt es wirklich und erfreut sich Jahr für Jahr einer temporär saisonalen Beliebtheit. Sommerloch, das ist nicht nur multimediale Ödnis. Das ist ein beschauliches Dorf in Rheinland-Pfalz, das immer um die Jahresmitte herhalten muss, wenn das Thermometer Höchstwerte registriert, die Nachrichtenlage einen Tiefstwert anzeigt.

Journalistische Kreativität gefragt

Denn das ist aus journalistischer Sicht das Problem dieser Zeit. Die Ferien brechen an. Viele Menschen packt das Fernweh und treibt sie in andere Länder oder zumindest vor die Haustür. Der Bundestag verabschiedet sich in die parlamentarische Sommerpause und damit auch die parteipolitische Aufgeregtheit. Das Fernsehprogramm schaltet genauso wie schlechte Witze nur noch in den Wiederholungsmodus – zumindest noch intensiver als bisher. All das verlangt eine gewisse journalistische Kreativität ab, um die Seiten zu füllen. Und die reicht bei vielen zumindest bis zu jenem Dorf nahe Bad Kreuznach. Dort hat man sich an den sommerzeitlich begrenzten Ruhm schon gewöhnt. Im Gegensatz zum multimedialen Schlund der Nachrichtenlosigkeit ist Sommerloch eher klein. Etwas mehr als 400 Einwohner zählte Sommerloch Ende 2021. Zumindest tritt es den Beweis an: Es gibt also Leben in/im Sommerloch.

Zugehörig ist es der Verbandsgemeinde Rüdesheim und damit einer durchaus faszinierenden Region, die keine merkwürdigen Namen benötigt, um Menschen anzulocken. Zudem ist das Dorf in das Weinbaugebiet des Nahetals eingebettet und beherbergt seinerseits Winzer, die den guten Rebensaft produzieren. Quasi Sommerloch zum Genießen. So manche Berühmtheit schaute hier schon vorbei. Einst stellte Norbert Blüm (CDU) nach seiner Politikerkarriere und seinem Amt als Bundesminister für Arbeit und Soziales sein Buch vor. Nicht wenige sehen darin den Beginn des Hypes von Sommerloch im Sommerloch.

Erstmals 1158 erwähnt

Sommerloch unterliegt dabei einem Missverständnis. Seinen Namen hat das Dorf keinesfalls von der Nachrichtenlangweile. Damit tut man dem Dorf und der dortigen funktionierenden Gemeinschaft auch unrecht. Außerdem gibt es diesen Ort schon zu lange, als dass diese Behauptung wahr sein könnte. Erstmals soll Sommerloch als „Sumerlachen“ in einem Güterverzeichnis des Klosters Rupertsberg bei Bingen im Jahr 1158 erwähnt worden sein. Mehre Jahrhunderte also, bevor dank des allseits bekannten Johannes Gutenberg, Erfinder des modernen Buchdrucks mittels beweglicher Lettern, die Massenmedienproduktion ins Laufen – und im Sommer dann eben ins Stocken – gerät. Jener ursprüngliche Name bezeichnete eine feuchte Mulde. Die hat ebenfalls etwas Lochähnliches und verschlingt Dinge. Aber eben keine Nachrichten. Eine Meldung hätte in Sommerloch nicht nur im Sommerloch für Schlagzeilen gesorgt. Im Jahr 1241 hatte man die Bauern Sommerlochs exkommuniziert, nachdem sie dem Leben des örtlichen Pfarrers ein jähes Ende bereiteten.
Die Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Und mit etwas Glück findet man auch dieser Tage Berichtenswertes und muss das Sommerloch nicht mit Sommerloch füllen. Ein Blick in die Zeitung genügt.

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