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Von der Mülldeponie zur Weltnaturerbestätte

Die Grube Messel ist nicht nur für Forschende Schatzkammer und ein faszinierendes erdgeschichtliches Territorium

von Redaktion

Wurde Siegfried in Heppenheim ermordet?<br />
Foto: Karl-Heinz Köppner

Das Urpferdchen gehört zu den berühmtesten Fundstücken aus der Grube Messel. Foto: Guido Schiek

Abfall muss entsorgt werden. Zuweilen werden dafür in der Natur entstandene Krater, Gräben oder andere Arten von Löchern zweckentfremdet. Beinahe hätte sich eines der berühmtesten Löcher nahe Darmstadt ebenfalls dieser Nutzung unterwerfen müssen. Heute gilt es als eines der berühmtesten und bedeutendsten Naturdenkmäler der Welt.

Erdgeschichte hautnah erleben

Die Rede ist von der Grube Messel, einem Territorium, das über die hier entdeckten Fossilien aus Flora und Fauna rund 48 Millionen Jahre Entwicklungsgeschichte der Erde abbildet. Nicht nur Forscher, sondern auch sonstige Interessierte haben, beispielsweise in geführten Touren zu den Ausgrabungen, die Möglichkeit, Erdgeschichte hautnah zu erleben. Doch beinahe wäre alles ganz anders gekommen …

Mit Tagebau verbinden die meisten heute vermutlich den Ruhrpott und verschwenden an (Süd-)Hessen eher wenige Gedanken. Doch gerade Messel prägte ab dem 19. Jahrhundert zumindest die regionale Bergbaugeschichte – im Grunde eine Voraussetzung für das, was die Grube Messel heute repräsentiert. Denn schließlich muss man erst einmal graben, um Fossilen zu finden. Gegraben wurde in Messel sehr lange sehr viel, und zwar infolge der Errichtung einer Raseneisenerzgrube im Jahr 1859. Beim Abbau des durch hohen Eisenanteil gekennzeichneten Materials stießen die Arbeiter auf Ölschiefer, das fortan den Bergbau in der Grube Messel dominierte – und maßgeblichen Anteil an den gut erhaltenen Fossilien hatte. Dabei handelt es sich um ein dunkles Sedimentgestein, das bis zu 20 Prozent, mancherorts sogar bis zu 30 Prozent, Kerogen enthält. Das wiederum bezeichnet organisches Material, das sich aus Bakterien, Plankton und Pflanzen bildet und als Vorstufe von Erdöl gilt. Es eignet sich zur Herstellung von Treibstoffen, Teer und Paraffin. Vor vielen Millionen Jahren herrschte in der erwähnten Region ein ähnlich subtropisches Klima wie im Regenwald. Dazu knallte es hier zuweilen heftig. Zumal sich hier auch der eine oder andere Vulkan bemerkbar machte.

Subtropisches Klima mit explosiver Mischung

Infolge des Ausbruchs eines solchen Vulkans vermischte sich nun Magma mit Grundwasser. Aus der folgenden Wasserdampf-Explosion entstand ein Krater, woraufhin Tiere und Pflanzen auf den sauerstofflosen Grund des Sees befördert wurden. Das sich absetzende Sedimentgestein konservierte diese nun, hielt den Verwesungsprozess der Tiere und Pflanzen auf und begründete so den gut erhaltenen Zustand der Fossilien.
Dass derartige Schätze sich hier unter der Erdoberfläche verbargen, war durchaus länger bekannt. Bereits 1876 wurde hier ein Alligatorenskelett entdeckt. Aber natürlich blieb der Bergbau im Fokus. Auch als sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Ölschieferabbau als zunehmend unrentabel erwies und sich das Ende der Grube Messel abzeichnete – die endgültige Schließung als Teil des Bergbaus erfolgte 1971 – rückten andere Alternativnutzungen ins Blickfeld. So wurde in den 1970ern nach einem geeigneten Standort für eine Mülldeponie gesucht. Die zentrale Lage im Rhein-Main-Gebiet sprach durchaus für die Grube Messel.

Bedeutend für Fossilien-Forschung

Gleichwohl machten Sammler von Fossilien hier fortan vermehrt spannende erdgeschichtliche Funde. Und so wurde nach langem Hin und Her dem Forschungsinstitut Senckenberg 1975 eine Grabungsbeteiligung zugestanden. Nicht zuletzt dadurch wurde die Bedeutung der Grube für die Forschung in Sachen Fossilien unübersehbar. An den Planungen für die Mülldeponie änderte das nichts. Erst 1984 wurden diese zumindest vorübergehend gestoppt und Ende der 1980er endgültig ad acta gelegt. 1991 kaufte das Land Hessen die Grube Messel schließlich für knapp 33 Millionen D-Mark und übertrug den Betrieb der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Vier Jahre später dann der Höhepunkt: Die Grube Messel wurde in die Liste der UNESCO Weltnaturerbestätten aufgenommen.
Die Kommission begründete dies damit, dass die Grube in außergewöhnlicher Weise Aufschluss über die frühe Evolution der Säugetiere gab. Von unschätzbarem Wert für die Forschung sind dabei nicht zuletzt die vielen zum Teil gut erhaltenen vollständigen Wirbeltierskelette, die hier zum Vorschein kamen und kommen – so wie das Messeler Urpferdchen, das zu den bedeutendsten Funden gehört.

Angebote und Exkursionen

Das Besucherzentrum „Zeit und Messel Welten“ ist weit mehr, als eine bloße Aneinanderreihung von Informationen. Die Besucher erwartet eine sich auch über das Raumgefüge erschließende, optisch beeindruckende, interaktive Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Erdgeschichte, der sich wohl kaum jemand entziehen kann. Weitere Angebote und Exkursionen auch für Familien mit Kindern zu den Grabungsstellen selbst geben zusätzliche faszinierende Einblicke in die Vergangenheit des Planeten. Eine Voranmeldung ist dringend erforderlich. Weitere Infos zu den verschiedenen Veranstaltungen gibt es über die Internetseite www.grube-messel.de.

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