Mainzer Wochenblatt
Kultur im Spannungsfeld
Staatstheater thematisiert 2022/2023 Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft
von Redaktion
Das Staatstheater-Team bei der Vorstellung des neuen Spielzeitprogramms (von links): Generalmusikdirektor Hermann Bäumer, Tanzdirektor Honne Dohrmann, Intendant Markus Müller, Opern-Chefdramaturgin Sonja Westerbeck und Schauspiel-Chefdramaturg Jörg Vorhaben. Foto: Harald Kaster
In einer Pressekonferenz haben Intendant Markus Müller, Generalmusikdirektor Hermann Bäumer, die Chefdramaturgin der Oper Sonja Westerbeck, der Chefdramaturg im Schauspiel Jörg Vorhaben sowie Tanzdirektor Honne Dohrmann das Programm der kommenden Saison am Staatstheater Mainz vorgestellt.
Schauspiel
Die Frage, wie Staat und Wissenschaft zusammenarbeiten, spiegelt sich im Programm des Schauspiels. In der Eröffnungsproduktion „Der staubige Regenbogen“ von Hans Henny Jahnn geht es um die destruktiven Folgen des Fortschritts für die Umwelt und darüber hinaus um die Frage, wie unabhängig „die Wissenschaft“ eigentlich ihre Erkenntnisse gewinnen und vermitteln kann. „Die Laborantin“ wagt sich an die schwierigen ethischen Fragen der Genforschung, „A Family Business“ handelt von den ganz konkreten Auswirkungen globaler atomarer Rüstung auf uns Menschen und Anna Seghers‘ „Transit“ ist eine komplexe Auseinandersetzung damit, wie schwer es fällt, unter größtem Druck Entscheidungen zu treffen.
Familien sind der Mikrokosmos, der während der Coronazeit besonders unter Druck stand und auch heute noch steht. Stücke wie „Anna Karenina“, „Das wirkliche Leben“, die Produktion im justmainz-Programm „Oma Monika – was war?“ befragen diese kleinste Einheit unserer Gesellschaft: Gibt die Familie Halt oder ist sie eine überholte Zwangsgemeinschaft, aus der man sich befreien muss?
Natürlich gibt es auch in der kommenden Spielzeit auf den Unterhaltungspositionen Anregendes zu erleben: Jan Friedrich, kehrt zurück ins Kleine Haus und führt Regie bei Molières „Der Menschenfeind“. Im Großen Haus setzt Christian Brey das skurril-charmante Musical „Der kleine Horrorladen“ in Szene. Benedict Wells Coming-of-Age-Geschichte „Fast genial“ spiegelt zugleich das Thema Wissenschaft als auch das Thema Familie.
Im reichhaltigen Programm der Wiederaufnahmen finden sich mit Bertolt Brecht, Friedrich Dürrenmatt, Johann Wolfgang von Goethe und Rainer Werner Fassbinder viele (moderne) Klassiker. Das gilt auch für das junge Staatstheater justmainz mit „Krabat“, „Timm Thaler“ sowie „Mats und Milad“ wieder auf – und mit Michael Endes „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ kommt als Familienstück ein Kinderbuch auf die Bühne im Großen Haus.
Musiktheater
Die Oper schlägt in der kommenden Saison einen Bogen über verschiedene Epochen und gibt musikalische und ästhetische Anregungen, über Fantasie, Fakten und die eigene Urteilskraft nachzudenken. Beschirmt von diesem großen Bogen wird jeweils der Mensch in den Mittelpunkt gestellt – sei es in einer engen Verquickung von Emotionen wie in der Eröffnungsproduktion „Cosí fan tutte“ oder in universelleren Kontexten wie in Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexico“. „Sweeney Todd“ erzählt eine groteske Story des dämonischen Barbiers aus der Londoner Fleetstreet nach der Gothic Novel aus dem 19. Jahrhundert und strotzt nur so vor schwarzem Humor und eindrucksvoll-unterhaltsamen Figuren.
„Im Dickicht“, eine Koproduktion mit den Schwetzinger SWR Festspielen, reflektiert das Spielzeitthema auf besondere Weise und stellt ganz konkret in einer Gerichtsverhandlung die Frage, ob sich Wahrheit rekonstruieren lässt und wie viel Wert Zeugenschaft hat. Alexander Nerlich inszeniert„Salome“ von Richard Strauss. Die Oper zeichnet Psychogramme zügelloser Wollust, hitzig aufgeladener Gefühlswogen, aber auch seelischer Abgründe und erschreckender Gefühlskälte. Mit den Wiederaufnahmen von „Fish forward“, „Zählen und Erzählen“ sowie der mobilen Produktion „Klangjäger“ stehen wieder Stücke für das junge Publikum auf dem Programm. Und mit „Peter Pan“ von Richard Ayres wird im Kleinen Haus Fantastisches für die ganze Familie gespielt.
Tanz
Der Tanz erobert nach dem Schauspiel und der Oper in der kommenden Spielzeit ebenfalls das Leibniz-Zentrum für Archäologie: Roy Assaf choreografiert mit dem Ensemble von tanzmainz eine Uraufführung unter dem für ein Museum sinnigen Titel „Please don‘t touch the art piece“. Mit „Welcome Everybody“ kreiert der Choreograf Pierre Rigal eine Verbeugung vor der Vielfalt des Theaters und seiner Mittel. Guy Weizmann und Roni Haver sind langjährige Wegbegleiter des Staathstheaters. Der Titel ihrer Uraufführung steht noch nicht fest, aber die ungewöhnliche Bildhaftigkeit ihrer Arbeiten und ihr feines Gespür für gesellschaftliche und politische Themen lassen einen spannenden Tanzabend erhoffen.
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