VRM Wochenblätter

Nochmal abrocken. Foto: Jehavo/AdobeStock

Foto: Felix Lieb

Alle Jahre wieder das gleiche Drama: Weihnachten steht vor der Tür. Eigentlich eine Zeit oder zumindest die beste Gelegenheit für Besinnlichkeit. Ruhe und Gelassenheit. Was für ein Hohn. Denn ist nicht diese Zeit besonders von Stress geprägt? Wer nicht auf der Arbeit – sofern er oder sie im Arbeitsleben steht – oder im aus dem Ruder laufenden Privatleben einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, an Weihnachten kriegt er oder sie ihn auf jeden Fall.

Glühwein und horrende Essenspreise

Zugegeben: Es gäbe genug Gelegenheit, sich die Zeit schön zu trinken: Die unzähligen Weihnachts- und Adventsmärkte, die uns in jeder Straße über den Weg laufen (andersrum geht es aufgrund des literweisen Konsums jener so prägenden süß-herben spärlich erhitzten Flüssigkeit, welche die Symmetrie unseres Gangwerks beeinflusst, gar nicht mehr) laden dazu ein. Und weil wir jenen Glühwein auf nüchternen Magen genießen im Angesicht der horrenden Essenspreise, bei denen für eine Bratwurst Preise eines Galadinners verlangt werden, knallt der dann auch so schön. Vegetarier und Veganer sind da nicht besser dran. Denn fleischlos (und gemeint ist in diesem Fall nicht der Körperumfang) ist teuer. Genauso wie zahlreiche potenziell oder nur in Gedanken selbstgemachten Staubfänger, die uns just zur Weihnachtszeit auf den Handwerksständen in die Augen schießen und dann in den Jagdgründen des Schrottwichtelns auf immer und ewig verschwinden.

Bis sie dann im nächsten Jahr wie ein Bumerang von jenen Menschen uns unter den Weihnachtsbaum gelegt werden, die mit der Gabe solcher Unnützlichkeiten beweisen:
Die in jener Jahresperiode praktizierte Liebe ist zuweilen eine vorgetäuschte, genauso wie die Sinnhaftigkeit jenes Plunders, mit dem sie uns nerven.

Warum legen wir nicht etwas mehr Gelassenheit an den Tag: gerade an Weihnachten und gerade in Hinblick auf die Geschenkeflut? Warum gestalten wir es nicht mal etwas immaterieller? Die größte Geschenk an meine Mitmenschen und die gesamte Menschheit bin doch sowie so ich – trotz Plätzchenplautze, Flokati-Teppich unter den Achselhaaren und Mundgeruch. Oder warum schenken wir uns nicht einfach Ehrlichkeit? Etwa in der Art: Mein Geschenk an mein Gegenüber ist, dass ich ihm erlaube, in meiner Gegenwart zu atmen. Das bringt zwar manchen kapitalgesellschaftlich erzogenen Wohlstandskids nix. Aber ein bisschen Demut hat noch niemanden geschadet.
Nun mag es gute Gründe haben, warum so viele Menschen so viel Wert auf die Weihnachtszeit legen. Und das, obwohl das Osterfest mehr Pfiff hat als Weihnachten: Geboren werden als Heiland kann ja jeder. Aber wiederauferstehen kriegt kaum einer hin. Das lässt sich auch besser vermarkten.

Gottes Sohn und Markus Söder

Aber mal abgesehen davon, dass es darum geht, Wunder wie die unbefleckte Empfängnis (mit der hat Gottes Sohn auch jedem noch so althergebrachten oder modernen Verhütungsmittel ein Schnippchen geschlagen) oder den Beginn einer neuen Zeitrechnung zu zelebrieren. Auch wenn das mit der neuen Zeitrechnung damals kaum jemand geahnt hatte. Zugegeben: Es gab jene, die in dem kleinen Racker die Niederkunft von Gottes Sohn gesehen haben. Das glaubte aber manch einer auch von Markus Söder – und er womöglich von sich selbst bis heute noch. Aber zu mehr als zum Ministerpräsidenten des bayerischen Exil-, äh Freistaates hat es eben doch nicht gereicht. Und wo von Gottes Sohn oder Söhnen gesprochen wird, sind gerade heute die Verschwörungstheoretiker nicht weit.
Wie dem auch sei: Nach einem eh schon anstrengenden zuweilen völlig verkorksten Jahr soll es für viele, wenn schon die eigene Existenz eine recht schwierige ist, wenigstens an Weihnachten einigermaßen schön sein. Und man tut alles dafür, um jenen schönen Schein des schönen Lebens zu bewahren. Weihnachten ist das Fest der Liebe, aber die zu praktizieren ist zuweilen sehr herausfordernd. Denn Übung macht ja bekanntlich den Meister und wenn es vorher schon nicht meisterlich war, warum soll es dann zu Weihnachten meisterlich werden? Tatsächlich projizieren zahlreiche Wesen in die Weihnachtszeit derart viel rein, dass sie sie sich mannigfaltig unter Leistungsdruck stellen und all das nachholen wollen, was sie die ganze Zeit über verpasst haben. Aber der Tag hat nun mal nur 24 Stunden. Die Adventszeit dauert auch nur rund einen Monat – auch wenn die schon im Sommer abgespielten Weihnachtsfilme, die nun jegliche Geschmacksnerven erfolgreicher als jede biologische Waffe / Weihnachtsplätzchen torpedieren, uns das Gegenteil vorgaukeln. Alles viel zu kurz, um all die Versäumnisse unseres gesamten Lebens nachzuholen.

Fest der Freude

Aber warum beginnen wir erst in jener Zeit zu kochen und probieren uns über drei Wochen an Menüs, die Chefköche in drei Minuten dahinzaubern? Warum denken wir erst zu Weihnachten an jene Menschen, die uns rund 364 Tage im Jahr egal waren und für die wir unter normalen Umständen nicht mal einen Aufschlag übrig haben? Warum spenden wir ausgerechnet zur Weihnachtszeit so viel. Nicht dass das schlimm ist. Im Idealfall profitieren Menschen auch davon und zwar jene, die es am Bittersten nötig haben. Aber Armut und Not gibt es das ganze Jahr über – genauso wie Einsamkeit. Weihnachten sollte keine Kompensation für das Fehlen unserer Gnade in der übrigen Zeit sein. Weihnachten ist das Fest der Freude, sollte es zumindest sein. Warum besinnen wir uns nicht – ganz ohne Stress darauf – und nehmen die Nächstenliebe, die wir in dieser praktizieren, nicht mal als Blaupause für das komplette Jahr oder kultur-, religions- und standesübergreifend für die gesamte menschliche Existenz? Dann gäbe es vielleicht auch – jenseits des Gabentischs – ein bisschen (mehr) Frieden. Das wäre doch mal ein Geschenk.

Ich wünsche Ihnen frohe und friedvolle Weihnachten
Ihr Felix Lieb

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